8. Mai - Ein Fest der Befreiung

Posted on 11.04.2005 gesellschaftspolitik

17 Uhr beim Mahnmal der Roten Armee am Schwarzenbergplatz

Eine Veranstaltung von

Anthropoid/Innsbruck, Archiv der sozialen Bewegungen/Wien, Bund Werktätiger Juden - Avoda, Café Critique, Context XXI, Grüne Alternative Jugend/Wien, HaShomer HaZair, HuS-Fakultätsvertretung, Infoladen X, Israelitische Kultusgemeinde, KPÖ-GO Dogma, LIAB, Monochrom, ÖH-Bundesvertretung, Ökoli, Studienrichtungsvertretung Politikwissenschaft, Studienrichtungsvertretung HuS Doktorat, www.gegennazis.at.tf, www.juedische.at, Zecken, Zionistische Föderation Österreich, ZPCL - der B’nai B’rith

Am 8. Mai 2005 jährt sich zum 60. Mal die Zerschlagung der nationalsozialistischen Herrschaft. An diesem Tag feiern wir die Niederlage des deutschen Reiches, das Ende von Mord und Unterdrückung, die Befreiung der Gefangenen aus den Konzentrations- und Vernichtungslagern – und trauern um die Ermordeten der Shoah. Am 8. Mai feiern wir diejenigen und danken denjenigen, die diesem Treiben ein Ende setzten. Gleichzeitig bleibt aber das Entsetzen, dass die Niederlage der Nazis um so vieles zu spät erfolgte und dass essenzielle “Errungenschaften” des NS bis heute weiterbestehen.

Die Alliierten, welche in Österreich und Deutschland 1945 die Einführung einigermaßen zivilisierter Zustände erzwangen, wurden als Besatzer gesehen. Die personelle Kontinuität nach 1945, das Buhlen der Parteien um die Stimmen der “Ehemaligen” ist bloß ein Symptom für die ideologische Kontinuität. Resultate des NS, wie die Stiftung einer Volksgemeinschaft, ihre innige Beziehung zum Staat, korporative Strukturen (Sozialpartnerschaft, Volksparteien etc.), sowie dürftige Bemühungen, offenen Antisemitismus durch neue Formen wie den Antizionismus zu verdecken, bestimmen den Charakter der Nachfolgestaaten. Das Schweigen über die eigene Beteiligung an der Shoah wirkt einigend und entlastend; Österreich brachte zu diesem Zweck die Behauptung hervor, erstes Opfer des Nationalsozialismus gewesen zu sein.

In diesem Jahr soll die nationale Mythenbildung hierzulande ein Revival erleben. Im Gedenkjahr 2005 steht alles im Zeichen des sich unschuldig wähnenden Nationalstolzes und der Selbstbeweihräucherung der österreichischen Seele. So steht in der Jubiläumsbroschüre der Bundesregierung: “Der zweite Weltkrieg hat über 25 Millionen Soldaten den Tod gebracht, weitere 20-30 Millionen Menschen haben als Opfer im Holocaust, bei Luftangriffen, im Widerstand, bei Vergeltungsmaßnahmen und auf der Flucht ihr Leben verloren.” Der parteitreue Blockwart im Luftschutzbunker und der Vernichtungskrieg führende Landser werden auf eine Stufe mit den von ihnen Ermordeten gestellt. Wer vom grausamen Krieg redet, will von den konkreten Verbrechen der NationalsozialistInnen nicht sprechen – am wenigsten vom Holocaust. Die durch das NS-Regime und seine zahlreichen HelferInnen Ermordeten müssen aber im Sinne einer entlastenden Versöhnung auch oft für moralisch selbstgefälliges Erinnern herhalten.

Eine vernünftige Aufarbeitung der Vergangenheit müsste der Täter-Opfer-Umkehr ein Ende bereiten und das Aufgehen in der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft thematisieren. Im Gedenkjahr hätte auch der Umgang nach 1945 mit den Verbrechen des NS skandalisiert werden müssen – dass dies der Fall sein würde, konnte jedoch angesichts der österreichischen Zustände niemand ernsthaft hoffen. Die NachfolgerInnen des NS, diesmal in Form der schwarz-blauen Regierung, sahen sich nämlich z.B. am Jahrestag des Novemberpogroms 2001 bemüßigt, davon zu sprechen, dass nicht nur Österreich, sondern die Österreicher erstes Opfer des NS waren. Nachstellungen der Bombennächte und die Idee, zum Gedenken an die Opfer des NS Kreuze auf dem Heldenplatz aufzustellen zeigen, wie hartnäckig sich der Opfermythos zum Zwecke der Schuldabwehr am Leben erhält. Damit sollen das spezifische Element des NS, sein rassischer Vernichtungsantisemitismus, sowie die eigene Verantwortung abgewehrt werden.

Dieser Antisemitismus verschwand nach 1945 keineswegs. Die oberflächliche gesellschaftliche Missbilligung offener antisemitischer Ausbrüche führte zur Herausbildung neuer Erscheinungsformen: Es durfte kritisiert werden, dass “die Juden” immerzu vom Holocaust sprachen, ständig Entschädigung verlangten, nie ein Schlussstrich gezogen werden dürfe. Dieser “sekundäre” Antisemitismus wird auf internationaler Ebene durch den Antizionismus ergänzt. Jenem Staat, der als Konsequenz aus dem Holocaust gegründet wurde, um Jüdinnen und Juden relative Sicherheit vor dem weltweiten Antisemitismus zu bieten, schlägt als dem “Juden unter den Staaten” das Ressentiment entgegen. Seit der “Al-Aqsa-Intifada”, welche außer bei arabischen Staaten auch in der UNO, der EU und weiten Teilen der Antiglobalisierung- und Friedensbewegung Unterstützung findet, und anhand der Zunahme antisemitischer Ausschreitungen seit dem 11. September lässt sich ein “neuer Antisemitismus” ausmachen, der sich an dem Zusammenfinden rechtsextremer, islamistischer und linker Positionen festmacht. Angesichts dieser globalen Bedrohung ist unbedingte Solidarität mit Israel als dem Staat der Shoah-Überlebenden und als Schutzmacht von Jüdinnen und Juden weltweit nicht nur die einzig logische Konsequenz – auch ist es traurig und bezeichnend, dass dies immer wieder gefordert werden muss und keine Selbstverständlichkeit ist.

Der 8. Mai soll als jener Tag erinnert werden, an dem das großangelegte nationalsozialistische Projekt zur Vernichtung von Menschen um der Vernichtung willen erfolgreich zurückgedrängt worden ist. Wir erinnern daher an den Einsatz der US-amerikanischen und britischen Streitkräfte, der französischen Resistance, der PartisanInnenverbände, der Deserteure und aller WiderstandskämpferInnen, die gegen das nationalsozialistische Regime kämpften. Wir erinnern im Besonderen an den Einsatz der Roten Armee, die mit ihrem Beitrag zur Befreiung die größten Opfer hinnehmen musste. Aus diesem Grund treffen wir uns beim Mahnmal der Roten Armee am Schwarzenbergplatz, um die Niederlage des Nationalsozialismus zu feiern und gleichzeitig daran zu erinnern, dass die Möglichkeit der Barbarei ebenso fortwest wie die Verhältnisse, die sie schon einmal hervorbrachten.