Offener Brief der Fachschaft Informatik der TU Wien an das BMWF

Posted on 14.09.2010 unipolitik, gesellschaftspolitik

Sehr geehrte Frau Bundesministerin Karl!
Sehr geehrter Herr Sektionschef Faulhammer!

Im Zuge Ihrer Tätigkeit im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMWF) werden Sie in den letzten Wochen und Monaten nicht müde, öffentlich zu betonen, welch Schieflage es in der Studienrichtungswahl gäbe: StudienanfängerInnen sollten doch besser in die sogenannten “MINT”-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) gehen, um die überlaufenen Studienrichtungen zu entlasten.

Die Studierendenvertretung für Informatik an der Technischen Universität Wien begrüßt die Erweiterung des Informationsangebots über die in Österreich verfügbaren Studienrichtungen, ebenso wie die Erhöhung der Anzahl der StudienanfängerInnen in technisch-naturwissenschaftlichen Fächern. Nicht nur, da nach Auffassung vieler ExpertInnen sowohl der Wirtschaftssektor Informationstechnologien als auch der Forschungsbereich der Informatik einen hohen Bedarf an Nachwuchs haben, der durch die derzeitige Anzahl an Studierenden nicht gedeckt werden kann.

Allerdings darf dabei ein wichtiges Detail nicht vergessen werden: die Finanzierung!

Wenn bestimmte Studienrichtungen mehr StudienanfängerInnen haben, müssen auch die notwendigen Rahmenbedingungen innerhalb der Universitäten und deren Fakultäten geschaffen werden wie u.a. die Finanzierung der Laborplätze, Lehrkräfte und Arbeitsräume für Lehrende sowie Studierende.
Nachdem Sie auch explizit für Informatik werben, ein anschauliches Beispiel dafür an der TU Wien:
Rund 50% der Studierenden, die in Österreich beginnen, Informatik zu studieren, tun dies in der Bundeshauptstadt, an der TU Wien. Es ist nun ein expliziter Wunsch u.a. des Dekans der Fakultät für Informatik und des Studiendekans für Informatik und Wirtschaftsinformatik, die Studierendenzahl zu senken, um so zu versuchen, das sich stetig verschlechternde Betreuungsverhältnis zu verbessern. Einig sind sich jedenfalls alle in einem Punkt: Durch die stagnierende Finanzierung der Universität verschlechtert sich die Situation zusehends.
Wegen der geplanten weiteren Verschärfung der Studieneingangsphase und wegen der neu eingeführten Aufnahmegespräche wird der Plan, die Studierendenzahl zu senken, in erster Linie StudienanfängerInnen treffen.
Da ähnliche Probleme ebenfalls bei anderen Studienrichtungen an der TU Wien bestehen, sehen besonders die nun so umworbenen StudienanfängerInnen bei den technisch-naturwissenschaftlichen Studienrichtungen düsteren Zeiten entgegen, solange das BMWF diese nicht ausreichend finanziert.

Nachdem also davon auszugehen ist, dass durch Ihre MINT-Kampagne noch zusätzliche StudienanfängerInnen auf die technisch-naturwissenschaftlichen Studienrichtungen zukommen, werden Sie wohl auf die Finanzierung nicht vergessen haben. Wir sind uns sicher, dass sowohl die TU Wien als auch die Fakultät für Informatik die nötigen Rahmenbedingungen zur Ausbildung zusätzlicher IT-SpezialistInnen schaffen werden, sobald das BMWF finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, die über das derzeitige Universitätsbudget hinausgehen.
Offen für uns ist allerdings, wie Sie den Ausbau konkret vorgesehen haben, in welcher Höhe Sie planen zusätzliche finanzielle Mittel an unsere Universität zu vergeben und wann Sie - außer mittels der bereits gestarteten Marketing-Kampagne - mit der operativen Umsetzung Ihres “MINT-Programms” beginnen möchten.

Nur durch laute Zurufe wird sich die Situation an Österreichs Universitäten nicht verbessern. Die Unterfinanzierung ist sowohl bei Publizistik, als auch bei Chemie, Maschinenbau, Informatik und anderen Studienrichtungen zu spüren. Österreich hat nur sehr wenige Studierende und eine weitere Reduzierung wird nicht die bestehenden Probleme im Hochschulsektor lösen. Daher bedauern wir es sehr, dass Sie nur bei den MINT-Fächern versuchen, Menschen für ein Studium zu begeistern. Wenn jedoch nicht gleichzeitig auch die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, werden sich auch hier die finanziellen Probleme noch deutlich verschärfen.

Wir möchten abschließend noch festhalten, dass wir ausdrücklich gegen Studiengebühren und für einen freien Hochschulzugang eintreten.

Für eine Gesprächsrunde mit Ihnen stehen wir gerne zur Verfügung!

Mit freundlichen Grüßen,
Fachschaft Informatik der Technischen Universität Wien

Rückfragehinweis:
Fachschaft Informatik
E-Mail:
Tel: +43-1-58801-49549
Mobil: +43-699-81123047


Update 16.09.2010 (18:24):

OTS Presseaussendung
Artikel im Studi-Kurier


Update 17.09.2010 (16:11):

Artikel im Standard
Artikel auf Studium.at


Update 15.11.2010 (16:11):

Parlamentarische Anfrage


Update 26.12.2010 (17:01):

… und Beantwortung