Teil 4: Wir sind doch alle gleich, hier hat keineR Privilegien!

Posted on 14.03.2015 Artikelserie-Sexismus-und-die-TU

Was bisher geschah: Bisher haben wir uns mit Begriffsdefinitionen, Argumentationslinien und Objektifizierung auseinander gesetzt [htu-info Archiv]. Diesmal geht es um Privilegien: was sind sie, wer hat sie, wie geht man mit ihnen um?

Was sind Privilegien? Wenn über Privilegien gesprochen wird, geht es um Vorteile bzw. die Wertung, die eine Person in einem sozialen Umfeld gegenüber anderen hat, ohne dafür etwas getan zu haben. Im Umkehrschluss bedeutet dies eine Benachteilung für andere Personen.

Menschen können aber nicht einfach in “privilegiert” und “nicht privilegiert” unterschieden werden. Eine Person kann zum Beispiel durch die eigene Hautfarbe und Sexualität priviligiert sein, gleichzeitig durch soziale Stellung oder eine körperliche Behinderung andere Privilegien nicht haben. Verschiedene Privilegien wirken zusammen und überlagern sich, so dass es oft schwer ist, zu sagen, welche Auswirkungen ein bestimmtes Privileg hat.

In unserer Gesellschaft sind häufig weiße, heterosexuelle Männer privilegiert. Der Effekt ist subtil. Sie müssen in der Regel nicht darum kämpfen, um in einer Gruppe gehört oder ernst genommen zu werden. Ihre Komptetenz zu beliebigen Themen wird wird oft erst dann hinterfragt, wenn Fehler offensichtlich werden. Im Vergleich dazu werden andere Personengruppen, u.a. Menschen, die fremd wirken, Homosexuelle oder auch Frauen benachteiligt, weil ihnen weniger Kompetenz zugeschrieben wird.

Privileg ist, wenn du aufgrund deiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe Vorteile hast. “Male Privilege” heißt nicht, dass alle Männer gegenüber allen Frauen im Vorteil sind. “Male Privilege” heißt: wenn für zwei Personen alle Umstände außer dem Geschlecht gleich sind (selbe Ausbildung, Klasse, Hautfarbe,…), sind Männer tendenziell im Vorteil gegenüber Frauen.

Wie merke ich, dass ich Privilegien genieße? Die eigenen Privilegien zu erkennen ist schwierig, denn wie du von anderen gesehen und behandelt wirst, bildet schnell deinen persönlichen Mindeststandard. Dadurch sind Privilegien, die du im Vergleich zu anderen genießt, für dich unsichtbar.

Du könntest einmal darüber nachdenken, was du selbst einfach so machen kannst, was andere aber womöglich nicht machen können. Dabei helfen Privilegien-Checklisten. Zu checkende Punkte sind zum Beispiel: “In so gut wie jedem Film, Buch oder Comic eine Identifikationsfigur, üblicherweise als Hauptfigur, geboten bekommen.” oder “In Freizeit-, Alltags- und Geschäftskleidung auf die Straße gehen können, ohne fürchten zu müssen, dass Fremde aufdringlich hinterherpfeifen, unangebrachte Kommentare rufen oder gar in öffentlichen Räumen diverse Körperteile anfassen.” [Beispiel-Checklisten]

Nicht-weiße Frauen werden noch dazu überdurchschnittlich oft durch die Polizei kontrolliert und müssen sich Vorwürfe der Anbahnung sexueller Dienste (Prostitution) gefallen lassen. Solche Überschneidungen und Kombinationen von Diskriminierung heißen “Intersektionalität”.

Was hat das jetzt mit Sexismus zu tun? In unserer Gesellschaft sind Männer priviligierter als Frauen. Das zeigt sich in vielen verschiedenen Situationen, einige Beispiele sind:

  • Auf der Straße nicht angegraben werden.
  • Nicht ungefragt mitgeteilt bekommen, was anderen an deinem Aussehen (nicht) gefällt.
  • Als kompetent wahrgenommen werden, v.a. wenn es um technisches Fachwissen geht
  • Sich um die eigenen Kinder zu kümmern wird nicht als normal, sondern als Heldentat wahrgenommen
  • Zu arbeiten und deshalb nicht zuhause bei den Kindern zu sein wird nicht als negativ angesehen.
  • Keine eigenen Kinder haben zu wollen, ist kein Grund, als nicht männlich angesehen zu werden.
  • Seltener auf das eigene Aussehen reduziert zu werden.
  • In quasi jedem Film/Buch/Videospiel eine Person zu haben, mit der mann sich identifizieren kann.
  • Das eigene Geschlecht wird nicht als Beleidigung verwendet. (“Du Mädchen!”)
  • Keine Vergewaltigungsdrohungen bekommen, wenn mensch Dinge tut, die anderen nicht gefallen.

Einige dieser Privilegien lassen sich auf sexistische Stereotypen zurückführen, unter denen Männer ebenso leiden wie Frauen. Im Gegensatz zu Männern werden Frauen aber damit in Rollen gedrängt in denen sie weniger selbstständig sind und weniger Selbstbestimmungsrechte haben.

Ein einzelner Kommentar oder Zwischenfall kommt privilegierten Personen oft nicht schlimm vor: “Das war doch nur ein Scherz” ist dann oft als Antwort auf das Ansprechen von sexistischem Verhalten zu hören (siehe vorhergehende Artikel aus der Reihe). Aber wie so oft gilt auch hier: die Dosis macht das Gift. Regelmäßig suggeriert zu bekommen, dass frau im falschen Feld arbeitet oder forscht, nicht als kompetent angesehen wird und eher als die Sekretärin wahrgenommen wird statt als Projektleiterin - das alles lässt ein frauenfeindliches Klima entstehen. Dieses Klima trägt dazu bei, dass Frauen in “rauen Mengen” technische Felder wieder verlassen. [LA Times - Why are women leaving the tech industry in droves?]

Privilegien zeigen sich oft in Form von strukturellem Sexismus. Während eine Schlechterstellung von Frauen im Vergleich zu Männern lange in Gesetzen verankert war, passiert Sexismus heutzutage in den meisten Fällen unbewusst.

Wie gehe ich mit Privilegien um? Wenn du feststellst, dass du Privilegien “geniesst”, musst du dich dafür nicht schämen - du kannst nichts dafür, wenn andere Menschen dir mehr Kompetenz oder Handlungsfreiraum zuschreiben als anderen. Du kannst auch nichts dagegen tun, ein Privileg zu haben. Allerdings kannst du dir aber selbst dessen bewusst sein und andere auf diese Ungleichbehandlung aufmerksam machen. In einer Diskussion kannst du darauf hinweisen, dass andere Teilnehmende noch nicht zu Wort gekommen sind oder dass ein Statement bereits von einer anderen Person gebracht wurde (der scheinbar weniger Kompetenz zugeschrieben wird als anderen). Wenn du um Hilfe bei etwas gefragt wirst, wo andere genauso gut helfen könnten, kannst du auf die anderen verweisen. Diskutiere Privilegien in deinem sozialen Umfeld; hör Menschen zu, die von erlebter Ungleichbehandlung erzählen.

“The most radical thing you can do to support women on the internet: Believe them.” [Anita Sarkeesian, XOXO Festival]