Stellungnahme zur UG-Novelle 2020

Posted on 15.01.2021 stellungnahmen

Bild von einem Papierstapel

Wie viele von euch durch die Medien und diverse Demonstrationen mitbekommen haben, steht eine Novelle des Universitätsgesetzes (UG) an. Die Regierung will die Gesetze teils stark zu Lasten der Studierenden verändern. Da es unsere gesetzliche Pflicht ist (HSG §20 (4)) und wir zeigen wollen, dass wir dies nicht so einfach hinnehmen, haben wir dazu eine Stellungnahme verfasst.

Die Stellungnahme ist abrufbar auf der Seite des Parlaments, oder hier als PDF-version.

In nächster Zeit steht auch eine Änderung des Hochschulgesetzes (HSG) an. Falls auch du dich bei Stellungnahmen und/oder der Fachschaft einbringen willst, schreib uns auf Mattermost, oder per .

Stellungnahme zur Änderung des Universitätsgesetzes 2020

im Zuge der UG-Novelle sind Änderungen geplant, die wir als unverhältnismäßig und benachteiligend für Studierende, sowie Studienwerber_innen ansehen. Die Akademiker_innen-Quote in Österreich liegt weit unterhalb des OECD-Schnitts liegt und Industrie und Wissenschaft wünschen sich mehr MINT-Absolvent_innen. Es sollte nicht versucht werden, die Ziele der Novelle über die Reduktion der Studierendenzahlen oder Einführung neuer Restriktionen zu erreichen, was unserer Ansicht nach jedoch eine unvermeidbare und direkte Konsequenz einiger der vorgeschlagenen Änderungen dieser Novelle sein wird. Des Weiteren lehnen wir die Stärkung politisch motivierter Durchgriffsrechte ab.

Zu §22 (1) Punkt 12 und 12a – Änderungen im Curriculum durch Politik

§22.(1) Das Rektorat leitet die Universität und vertritt diese nach außen. Es hat alle Aufgaben wahrzunehmen, die durch dieses Bundesgesetz nicht einem anderen Organ zugewiesen sind. Zu seinen Aufgaben zählen insbesondere: 1. bis 11. 12. Initiierung der Erlassung und Änderung von Curricula; das zuständige vom Senat eingesetzte Kollegialorgan für Studienangelegenheiten gemäß § 25 Abs. 1 Z 10 hat die Änderungen innerhalb von sechs Monaten zu behandeln 12a. Erlassung von Richtlinien zur strukturellen Gestaltung von Curricula aufgrund der Leistungsvereinbarung nach Stellungnahme des Senates

Diese Punkte erlauben dem Rektorat umfassende Eingriffe in Curricula. Diese Kompetenz sollte weiterhin beim universitären Senat und seinen Arbeitsgruppen, insbesondere den Studienkommissionen, bleiben. Den Bedarf von Eingriffen durch in der Regel fachfremde Personen können wir nicht nachvollziehen.

Wir empfehlen, diese Punkte ersatzlos zu verwerfen.

Zu §58 (12) – ECTS fairness/Evaluierung ECTS

§58. (12) Curricula sind so zu gestalten, dass die Kernfächer gemäß § 51 Abs. 2 Z 33 ausgewiesen werden müssen und die Verteilung der ECTS-Anrechnungspunkte dem tatsächlichen Arbeitsaufwand entspricht.

Wir begrüßen es, dass künftig die ECTS dem tatsächlichen Arbeitsaufwand entsprechen sollen. Es wird jedoch weiterhin nicht definiert, wie dieser Arbeitsaufwand zu beschreiben ist. Handelt es sich um den durchschnittlichen Aufwand, den Minimal- oder Maximalaufwand oder womöglich den Aufwand der Tutor_innen oder sogar der Lehrenden? Des Weiteren sind eine regelmäßige Evaluierung, transparente Maßstäbe, sowie Konsequenzen bei Nicht-Einhaltung wichtig.

Wir empfehlen, den Absatz zu präzisieren, sowie um “Dies ist jährlich zu evaluieren. Die Evaluationsergebnisse sind in ihrer Gesamtheit allen Mitgliedern des universitären Senats und seinen Arbeitsgruppen, insbesondere den Studienkommissionen, zur Verfügung zu stellen” zu erweitern.

Zu §59a, §59b – 24 ECTS-Grenze

§59a.(1) In Bachelor-und Diplomstudien sind die Studierenden verpflichtet, in jedem Studium, zu dem eine Zulassung besteht, in den ersten vier Semestern insgesamt eine Studienleistung im Umfang von mindestens 24 ECTS-Anrechnungspunkten zu erbringen. … §59b. (4) Studierenden, die in einem Diplom-oder Bachelorstudium bereits 100 ECTS-Anrechnungspunkte absolviert haben, kann die Universität bei Prüfungsinaktivität der Studierenden im vorangegangenen Studienjahr eine „Vereinbarung über die Studienleistung“ für dieses Studium anbieten. Die Vereinbarung ist zwischen der oder dem Studierenden und dem studienrechtlichen Organ abzuschließen und hat jedenfalls folgende Mindestinhalte zu umfassen:1.Unterstützungsmaßnahmen für die Studierenden seitens der Universität (insbesondere durch Anspruch auf Absolvierung bestimmter Lehrveranstaltungen und Prüfungen, Aufnahme in Lehrveranstaltungen mit einer beschränkten Zahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern, Rückerstattung des Studienbeitrages, etc.),2.Verpflichtungen der Studierenden (insbesondere zur Absolvierung bestimmter Lehrveranstaltungen und Prüfungen, etc.),3.Sanktionen bei Nichterfüllung der Vereinbarung (insbesondere keine Rückerstattung des Studienbeitrages, etc.).

Die Forderung nach einem Mindestmaß an erreichten ECTS trifft besonders Studierende, die arbeiten müssen, um sich das Studium und ihr Leben zu finanzieren; die wenig bis keinen familiären Rückhalt haben; die aufgrund familiärer oder partnerschaftlicher Verpflichtungen langsamer studieren; Menschen mit psychischen Problemen (Burnout, Prüfungsängsten,…); chronisch kranke Studierende; und einige andere mehr - also Studierende, die bereits jetzt unter erschwerten Bedingungen studieren. Dies stellt, zusätzlich zum Aufnahmeverfahren, wie die aktuelle Sozialerhebung aufgezeigt, eine weitere Hürde auf und hält Mitglieder unterrepräsentierter Gruppen davon ab, erfolgreich ein Studium an einer Universität abzuschließen. Des Weiteren sehen wir hier eine Gefahr auch für die Freiheit der Bildung und Wissenschaft, da diese durch Druck in einer Mindestzeit fertig zu werden, eingeschränkt werden soll. Freiheit von (durch Exmatrikulation) extrem durchgesetzten Mindeststudienzeit ist wichtig für die eigene Entwicklung und das kritische Auseinandersetzen innerhalb der gewählten Disziplin.

Wir empfehlen daher, diesen Paragraphen ersatzlos zu streichen. Es gibt bereits genug Hürden im Studium.

Zu §59 (5) – Mindest-ECTS für Entsendungen in Kollegialorgane des Senats

§59 (5) “… kann die Universität in der Satzung festlegen, dass facheinschlägige Kenntnisse im Ausmaß von bis zu 60 ECTS-Anrechnungspunkten nachgewiesen werden müssen.

Eine solche Einschränkung der für Gremienarbeit in Frage kommenden Studierenden hat negative Konsequenzen auf verschiedenen Ebenen - es wird die Kontinuität in den Gremien darunter leiden, dass Studierende später in diese Arbeit einsteigen und kürzer bleiben können; die vorhandene Arbeit muss auf weniger Studierende verteilt werden; und es wird schwieriger, die Bedürfnisse und Perspektiven der niedrigsemestrigen Studierenden in die Gremien einzubringen. Da zu erwarten ist, dass die Universitäten den Rahmen komplett ausreizen werden, befürchten wir durch die Änderung eine Entdemokratisierung der Gremien und einen Verlust an Arbeitsqualität ebendort.

Wir empfehlen, die vorgeschlagene Änderung ersatzlos zu verwerfen.

Zu §61 (1), §61 (2) – Streichung der Nachfrist

§61 (1) „… In der Satzung können abweichende Regelungen festgelegt werden, die die Zulassung zu Masterstudien auch außerhalb der allgemeinen Zulassungsfrist und der Nachfrist vorsehen, wenn die Zulassung aufgrund eines Bachelorstudiums erfolgt, das an der jeweiligen Universität oder bei gemeinsam eingerichteten Studien an einer der beteiligten Bildungseinrichtungen abgeschlossen wurde. (2) Die Zulassung zu einem Bachelor-oder Diplomstudium darf in den folgenden Ausnahmefällen im Wintersemester bis längstens 31. Oktober und im Sommersemester bis längstens 31. März erfolgen: …

In der Informatik an der TU Wien ist ein fließender Übergang vom Bachelorstudium zum Masterstudium üblich. Das Wegfallen der “abweichenden Regelung” würde dem einen Riegel vorschieben. Dass Studierende gegen Ende des Bachelors ihre restliche Zeit schon nutzen, um Lehrveranstaltungen des Masters vorzuziehen, wäre nicht mehr möglich, da Studierende kein aktives Studium mehr hätten, keine Prüfungen mehr ablegen können und dadurch wertvolle Zeit verlieren. Zusätzlich wird das durch das Verkürzen der Semester in §61 (2) eingeschränkt. Bisher beliebte Prüfungsmonate müssen vorverlegt werden, um den Abschluss rechtzeitig einreichen zu können. Dies bedeutet weniger Zeit am Ende des Semesters, besonders im Wintersemester, für Prüfungen und enger zusammen liegende Termine.

Wir empfehlen, die vorgeschlagene Änderung ersatzlos zu verwerfen.

Zu §62 (1) – Deregulierung der Fortmeldezeiträume

§62 (1) Das Rektorat hat nach Anhörung des Senates für jedes Semester die Frist für die Meldung der Fortsetzung des Studiums festzulegen. Dies ist der Zeitraum, in dem die Studierenden, mit Ausnahme des ersten Semesters, die Meldung der Fortsetzung ihres Studiums vornehmen und bei Bestehen einer Studienbeitragspflicht gemäß §91 Abs. 1 bis 3 den Studienbeitrag zu entrichten haben. Die Frist zur Meldung der Fortsetzung hat für das Wintersemester mindestens acht Wochen und für das Sommersemester mindestens vier Wochen zu betragen.Die Studierenden sind verpflichtet, für das Wintersemester bis längstens 31. Oktober und für das Sommersemester bis längstens 31. März der Universität, an der eine Zulassung zum Studium besteht, die Fortsetzung des Studiums zu melden.

In der Verkürzung und Deregulierung der Fortmeldezeiträume sehen wir eine vermeidbare Gefahr, dass Studierende durch Unachtsamkeit aus dem Studium fallen, da sie Meldezeiträume von z.B. einer andere Hochschule erwarten, oder das Rektorat die Zeiträume von einem Jahr auf das nächste grob ändert.

Wir empfehlen, die vorgeschlagene Änderung ersatzlos zu verwerfen.

Zu §66 (4) – Verschärfung der StEOP: Abschaffung der Re-Inskription

§66 (4) … Die neuerliche Zulassung zu diesem Studium kann in Abweichung von §63 Abs. 7 frühestens für das drittfolgende Semester nach dem Erlöschen der Zulassung beantragt werden. Die neuerliche Zulassung kann zweimal beantragt werden. Nach jeder neuerlichen Zulassung steht der oder dem Studierenden die gesamte Anzahl an Prüfungswiederholungen in der Studieneingangs-und Orientierungsphase gemäß §77 zur Verfügung.

Nicht nur ist unsere StEOP nachweislich eine der restriktivsten in Österreich, wird durch das Wegfallen der Möglichkeit, die STEOP ein weiteres Mal zu versuchen, bei Studierenden noch mehr Stress und Angst ausgelöst, was zu schlechterem Abschneiden bei Prüfungen und mehr Abbrüchen führen und die Informatikstudien in Österreich noch unattraktiver machen wird.

Wir empfehlen, die vorgeschlagene Änderung ersatzlos zu verwerfen.

Zu §76 (3) – weniger Prüfungstermine

§76 (3) Für Prüfungen, die in Form eines einzigen Prüfungsvorganges durchgeführt werden, sind Prüfungstermine jedenfalls zwei Mal in jedem Semester anzusetzen, wobei die Studierenden vor Beginn jedes Semesters über die Inhalte, die Form, die Methoden, die Termine, die Beurteilungskriterien und die Beurteilungsmaßstäbe der Prüfungen zu informieren sind.

Von bisher 3 auf 2 Prüfungstermine pro Semester zu kürzen geht zu Lasten von Studierenden, die ein flexibleres Studium benötigen (siehe Punkte bei §59a Abs. 1). Prüfungen werden auf wenige Termine zusammengelegt, wodurch sich ein höherer Druck im Studium ergibt, ein Anstieg psychischer Belastung ist dabei nicht zu vermeiden.

Wir empfehlen, die vorgeschlagene Änderung ersatzlos zu verwerfen.

Zu §89 und §116a (6) – Plagiate und Ghostwriting

§89. Der Verleihungsbescheid ist vom für die studienrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Organ aufzuheben und einzuziehen, wenn sich nachträglich ergibt, dass der akademische Grad oder die akademische Bezeichnung insbesondere durch gefälschte Zeugnisse oder durch das Vortäuschen von wissenschaftlichen oder künstlerischen Leistungen erschlichen worden ist. Die Aufhebung und Einziehung des Verleihungsbescheides ist längstens bis 30 Jahre ab der Verleihung des akademischen Grades möglich.

§116a (6) Die Strafbarkeit erlischt durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt 15 Jahre und beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem die strafbare Handlung abgeschlossen wurde oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

Eine Verjährung der erschlichenen Leistungen wäre unserer Ansicht nach mit einem beträchtlichen Imageschaden für die Republik Österreich verbunden. Wir sehen es weiters als fragwürdig an, eine Täter_innen-Opfer-Umkehr zu betreiben und Ghostwriting unter Strafe zu stellen, gleichzeitig jedoch die Konsequenzen für Plagiate zu lockern und diese verjähren zu lassen.

Wir empfehlen, die vorgeschlagene Änderung von §89 ersatzlos zu verwerfen.

Bei Begutachtung der Novelle haben wir festgestellt, dass einige existierende Probleme korrekt erkannt wurden. Die Ziele der Novelle sind nachvollziehbar und sinnvoll, die präsentierten Lösungsansätze allerdings ignorieren die tatsächlichen Lebensrealitäten vieler Universitätsangehöriger - nicht nur Studierender. Eine tatsächlich für alle Beteiligten sinnvolle Novelle sollte daher in aller Ruhe vom Start weg erarbeitet werden.